Martin Hock - Chorleitung, alle Tonarten
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Stand: 01. März 2001

Am Freitag, 28. Januar 2000, wurde mein Sänger Berthold Schlotzhauer während eines Einsatzes in Aschaffenburg erschossen. Fast eine Woche lang waren Ursachen und Hintergründe dieses Mordes, der noch zwei weitere Menschenleben kostete, Thema Nummer eins der lokalen Seite des “Main-Echos”.
Für alle, die die Berichterstattung nicht mitverfolgen konnten, habe ich die Texte und einige Bilder hier veröffentlicht. Am Ende des “offiziellen” Teils kommen dann auch noch ein paar persönliche Gedanken zu Berthold.

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Eifersuchtsdrama mit blutigem Ende: Drei Menschen tot

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Ende einer Liebesbeziehung: Claudia L. liegt tot vor dem Haus.
Foto: Harald Schreiber

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Aschaffenburg. Einen blutigen Ausgang hat am Freitag ein Eifersuchtsdrama mit Geiselnahme in Aschaffenburg genommen. Ein 41-jähriger Mann (Bild links) erschoss einen Polizeibeamten, seine ehemalige Freundin, mit der er sich für drei Stunden in einer Wohnung verbarrikadiert hatte, und richtete sich am Ende selbst.

Abgeriegelt: In zahlreichen Streifen- und Einsatzfahrzeugen war die Polizei zum Tatort gefahren. Die nahe Spessartstraße (Foto) war mit Polizeiautos zugestellt.
Foto: Harald Schreiber

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41-jähriger Gerüstbauer erschießt in Aschaffenburg Kripo-Beamten, seine Ex-Freundin und sich selbst

Aschaffenburg. Einen blutigen Ausgang hat am gestrigen Freitag ein Eifersuchtsdrama mit Geiselnahme in Aschaffenburg genommen. Ein 41-jähriger Mann erschoss einen Polizeibeamten, seine ehemalige Freundin, mit der er sich für drei Stunden in einer Wohnung verbarrikadiert hatte, und richtete sich am Ende selbst.

Die schrecklichen Ereignisse nahmen um 10.30 Uhr ihren Lauf. Eine Polizeistreife war routinemäßig im Hefner-Alteneck-Viertel von Aschaffenburg unterwegs. Sie wurde von einer Anwohnerin auf einen Streit im Wohnblock Mitscherlichweg 9 aufmerksam gemacht: Der 41-jährige Egon Heeg bedrohe seine 23-jährige Ex-Freundin, da sie ihn verlassen habe.

Die Beamten forderten Verstärkung an und näherten sich dem Anwesen. Nach bisherigem Ermittlungsstand schoss der Täter im Eingangsbereich unvermittelt auf einen der beiden Beamten und streckte ihn mit mehreren Schüssen in Brust und Bauch nieder. Auch seine Ex-Freundin verletzte er durch Schüsse. Anschließend verbarrikadierte er sich mit ihr in einer Wohnung im Erdgeschoss.

Der angeschossene Beamte wurde von Kollegen aus dem Gefahrenbereich geborgen und notärztlich versorgt. Er verstarb gegen 11.30 Uhr noch am Tatort. Das Opfer ist der 46-jährige Kriminaloberkommissar Berthold Schlotzhauer aus Glattbach. Er hinterlässt eine Frau und zwei Kinder.

Beamte der Polizeidirektion Aschaffenburg, unterstützt von Fremdkräften, sperrten das Wohnviertel weiträumig ab. Drei Stunden lang suchte die Verhandlungsgruppe der Aschaffenburger Polizei vergeblich Kontakt zum Täter aufzunehmen. Um 14 Uhr schließlich zündete ein Spezialeinsatzkommando aus Nürnberg zwei Blendgranaten und stürmte die Wohnung. Zu diesem Zeitpunkt waren die Geisel, die 23 Jahre alte Claudia L., sowie der Täter, Egon Heeg aus Stockstadt, bereits tot. Nach ersten Feststellungen des Notarztes waren die Schüsse auf die Frau unmittelbar tödlich. Dennoch soll die Kripo Würzburg auch überprüfen, ob ihr Leben bei einem früheren Zugriff hätte gerettet werden können.

Polizei-Pressesprecher Karl Bayer berichtete vor Ort, der Täter habe sich vor dem Zugriff des Spezialeinsatzkommandos selbst gerichtet. Wann genau war auch in der späteren gemeinsamen Information von Polizeidirektion und Staatsanwaltschaft Aschaffenburg nicht zu erfahren, es wird sich erst bei der Obduktion feststellen lassen.

Der arbeitslose Gerüstbauer Egon Heeg war in Polizeikreisen bereits bekannt. Unter anderem war er wegen Körperverletzung, Widerstands und Rauschgiftdelikten vorbestraft. Bekannt war auch seine Auseinandersetzung mit der 23-jährigen Ex-Freundin. Heeg hatte bereits am vergangenen Donnerstagabend die jetzt Getötete sowie eine 55 Jahre alte Frau am Ausgang der City Galerie in Aschaffenburg mit einem Baseballschläger bedroht und war wenig später vorläufig festgenommen worden. Dabei stand der Mann deutlich unter Alkoholeinfluss. Auf Grund der Bedrohung wurde gegen ihn ein Haftbefehl erwirkt, der gegen Auflagen in dieser Woche außer Vollzug gesetzt wurde. Unter anderem war ihm verboten worden, Kontakt mit der 23-Jährigen aufzunehmen.

Eine ähnliche Beziehungstat hatte sich bereits am 22. Oktober in einer Aschaffenburger Zahnarztpraxis ereignet. Damals erschoss ein 24-Jähriger seine von ihm getrennt lebende Frau, ihren Arbeitgeber, der ihr zu Hilfe eilte, und sich selbst.

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Der Tatort: In diesem Haus im Mitscherlichweg (rechts) hielt Egon Heeg die Frau in seiner Gewalt, bevor er sie und dann sich selbst erschoss.
Foto: Harald Schreiber

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Schwer bewaffnet: Das Einsatzkommando der Polizei rückte mit Maschinenpistolen und schusssicherer Bekleidung an.
Foto: Harald Schreiber

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Nach drei Stunden die Todesnachricht

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Medienspektakel: Kameras und Mikrofone werden dem Pressesprecher der Aschaffenburger Polizeidirektion, Karl Bayer, entgegengestreckt. Der Tatort war am Freitagnachmittag von Korrespondenten aus ganz Deutschland belagert.
Foto: Harald Schreiber

Medien- und Menschenauflauf bei erneuter Bluttat

Aschaffenburg. Erneut ist Aschaffenburg durch eine Bluttat in die Schlagzeilen geraten. Die Opfer: Der 46-jährige Kriminaloberkommissar Berthold Schlotzhauer, verheiratet, zwei erwachsene Kinder, und die 23-jährige Claudia L., der zu helfen er herbeigerufen worden war. Der Täter, der 41-jährige Egon Heeg aus Stockstadt, richtete sich selbst.

Drei Stunden lang muss die Polizei vermuten, dass der arbeitslose Gerüstbauer seine Ex-Freundin in einer Erdgeschosswohnung im Mitscherlichweg 9 als Geisel hält. Um das Leben Unbeteiligter nicht zu gefährden, sperren die Beamten das gesamte Viertel weiträumig ab. Kurz nach 10.30 Uhr alarmiert, treffen von Minute zu Minute weitere Einsatzkräfte ein, zumal Autofahrer und Passanten zunächst die Sperren ignorieren.

Wie viele Beamte im Einsatz sind, lässt die Polizeidirektion aus taktischen Gründen nicht wissen. Fest steht: Am Ende gleicht die Spessartstraße am westlichen Rand des Aschaffenburger Stadtteils Schweinheim einem Heerlager. Neben den grün-weißen Bussen der Polizei aus Aschaffenburg und den hessischen und bayerischen Nachbardirektionen auch die schwarzen Limousinen des Spezialeinsatzkommandos aus Nürnberg. Hubschrauber starten und landen.

Die Polizei hält die rasch wachsende Zahl an Schaulustigen hinter den Absperrungen zurück. Ein Nachbargebäude des Wohnblocks, in dem sich der Täter verschanzt hat, wird evakuiert, ein Sammelplatz für Anwohner, die nicht in ihre Häuser zurückkehren können, an der nahen Tankstelle eingerichtet. Die Kinder der Hefner-Alteneck-Schule dürfen nur nach Hause, wenn sie abgeholt werden. Die Schulleitung versucht, alle Eltern einzeln anzurufen.

Binnen einer Stunde hat sich die Nachricht deutschlandweit verbreitet. Der Medienrummel nimmt seinen Lauf. Übertragungswagen rücken an, Kabel werden gezogen, Kameras postiert, Hubschrauber von Privatsendern kreisen über Schweinheim. Mobiltelefone piepsen in allen Tonlagen, aber neue Nachrichten, die sich verkaufen lassen, gibt es nicht.

Solange das Schicksal der Geisel ungewiss ist, hüllt sich der Pressesprecher der Aschaffenburger Polizei, Karl Bayer, in Schweigen. Da niemand weiß, wie der Täter reagiert, wenn er über Rundfunk erfährt, dass er bereits einen Menschen auf dem Gewissen hat, wird selbst die Nachricht vom Tod des Kriminaloberkommissars nicht bestätigt. Sie erschließt sich nur aus einer Bemerkung des Notfall-Seelsorgers, Dekan Manfred Heßberger von der Schweinheimer Pfarrei St. Gertrud: Er habe den Sterbenden begleitet.

Wenn es an Nachrichten fehlt, werden welche gemacht. Dankbar aufgenommen wird von den ortsfremden Jounalisten (»Sind wir hier noch in Bayern?«) der Hinweis, das Hefner-Alteneck-Viertel habe in Aschaffenburg nicht den besten Ruf. Prompt lautet eine dpa- und AP-Schlagzeile: »Drei Tote im Tal der langen Messer«. Dass sich eine ähnliche Beziehungstat erst vor drei Monaten in der Aschaffenburger Innenstadt zugetragen hat, spielt keine Rolle. Medien- und Menschenauflauf - keine leichte Situation für die Polizeibeamten, die um den Kollegen trauern.

Erste Gelder werden für Exklusiv-Interviews mit angeblichen Nachbarn und Augenzeugen bezahlt. Doch die Gerüchte tragen nur zur Verwirrung bei: Manche kennen den Täter als »Guiseppo«, andere führen die Geisel unter dem Namen »Lulu«.

Bevor sich um 14 Uhr mit zwei Detonationen der Zugriff ankündigt, wird auch die Presse immer weiter vom Tatort weggeschickt. Umso größer ist später der Andrang, als die Sperren aufgehoben werden. Jetzt fließt auch Geld für Fensterplätze. Auch Schaulustige drängen sich um den Pressesprecher, als er gegen 15 Uhr mit erschütterter Miene über den Tod der drei Menschen informiert.

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Schutzweste hemmt Überschall-Aufprall

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Zu regulären Ausstattung jedes Streifenwagens der bayerischen Polizei gehören schwere Schutzwesten dieser Art. Im Kofferraum liegen immer jeweils zwei Stück. Ob und wann er die geschosshemmende Weste anzieht, entscheidet dagegen jeder Polizeibeamte selbst. Berthold Schlotzhauer, der am Freitag von dem arbeitslosen Egon Heeg erschossen wurde, hatte keine Weste angelegt.
Foto: Stefan Gregor

 

Grundausstattung in bayerischen Streifenwagen

Aschaffenburg. Eine Schutzweste trug der Kriminaloberkommissar Berthold Schlotzhauer letzten Freitag nicht: Offensichtlich ging der von Nachbarn herbeigerufene Polizeibeamte davon aus, den Streit im Aschaffenburger Mitscherlichweg 4 schnell und friedlich schlichten zu können. Mehrere Schüsse in Brust und Bauch töteten den 46-jährigen Familienvater.

Grundsätzlich: Schwere Schutzwesten gehören in der bayerischen Polizei zur regulären Ausstattung eines jeden Streifenwagens. Jeweils zwei Stück liegen im Kofferraum. Gebräuchlich sind die aus Kevlar oder vergleichbaren Kunststoffmaterialien gefertigten Panzer auch in vielen zivilen Einsatzfahrzeugen. Ob und wann er die geschosshemmende, aber beim Tragen hinderliche Weste überzieht, entscheidet jeder Beamte selbst.

Von »kugelsicher« sprechen Polizisten ausdrücklich nicht: Allenfalls bei kleineren Kalibern wäre das Prädikat gerechtfertigt. Gegen die übliche Pistolenmunition seien Westen der von Polizeirichtlinien verlangten Schutzklasse 1 auf jeden Fall ausreichend, sagt Siegfried Will von der Herstellerfirma Mehler in Fulda. Kopf und Gliedmaßen indes bleiben ungeschützt.

Unter den Markennamen »Kevlar« und »Twaron« sind die hochfesten textilen Garne bekannt, aus denen das Innere der Schutzweste besteht. Die Fasern werden zu Flächen verwebt, die Flächen wiederum in mehrere Lagen übereinander geschichtet. Nach Wills Worten muss das Material »in sehr kurzer Zeit sehr viel Energie aufnehmen und ableiten«. Vom überschallschnellen Aufprall des Projektils darf den Körper des Menschen nicht mehr erreichen als ein fester Schlag, der einen blauen Fleck hinterlässt.

Seit Mitte der siebziger Jahre sind die heute gebräuchlichen Überziehwesten auf dem Markt. Zuvor hatte man mit Schutzkleidung aus Polyamidfasern experimentiert, und noch früher gab es Versuche mit bleigefüllten und völlig starren Westen. Deren Eigengewicht lag deutlich über den maximal vier Kilo moderner Produkte.

Mit immer noch zwei bis drei Kilo belasten die leichteren Unterziehwesten ihre Träger. Sie gehören in Bayern nicht zur Grundausstattung der Polizei. Allerdings zahlt der Freistaat den Beamten, die aus eigenem Entschluss und auf eigene Kosten eine leichte Weste kaufen, 80 Prozent Zuschuss, maximal 800 Mark. 100 Prozent gibt es im nahen Hessen: Dort stellt der Dienstherr jedem Beamten sein Exemplar. Andere Bundesländer wiederum zahlen gar nichts für die je nach Ausstattung und Qualität zwischen 600 und 1200 Mark teuren persönlichen Schutzwesten. Sie sind dafür konzipiert, dass sie für die Dauer einer ganzen Schicht unter dem Hemd oder unter der Jacke getragen werden.

Bei der Aschaffenburger Direktion besitzt mittlerweile die Mehrzahl der uniformierten Polizisten eine leichte Weste. »Und wer sie hat, trägt sie auch«, sagt Personalrat Peter Göller.

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Kripo erhielt Abschiedsbrief

Aschaffenburg. Der Aschaffenburger »Geiselnehmer« hat nach neuesten Kripo-Erkenntnissen die Tötung seiner Ex-Freundin und seinen Selbstmord offenbar schon länger im Voraus geplant. Wie Polizeidirektion und Staatsanwaltschaft am Dienstag mitteilten, erhielt die Kripo am Montag einen handschriftlichen Abschiedsbrief des Täters. Der Brief war am Tattag abgeschickt worden. Darin habe der Mann angedeutet, die Frau und sich selbst umbringen zu wollen. Der 41 Jahre alte Mann hatte am vergangenen Freitag zuerst einen Polizisten, dann seine frühere Freundin und schließlich sich selbst erschossen.

Nach den bisherigen Ermittlungen der Polizei hat der 41-Jährige seine frühere Freundin in deren Wohnung mit einer Pistole bedroht. Nachbarn machten die Polizei auf den Streit aufmerksam. Während die Polizisten sich dem Haus näherten, schoss der Mann ohne Vorwarnung auf die Beamten. Einer von ihnen wurde von acht Schüssen tödlich getroffen. Die Frau wurde kurz darauf drei bis viermal aus nächster Nähe in den Rücken geschossen. Nach dem Sturm der Wohnung fand ein Sonderkommando der Polizei den 41-Jährigen tot auf: Er hatte sich in den Kopf geschossen. Als Motiv der Tat nennen die Ermittler die Trennung von der 23 Jahre alten Freundin.

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nf oder sechs Schüsse
auf »Lulu« und den Kommissar

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Blumen und zwei Grablichter auf kalten Treppenhaus-Fliesen: Stumme Erinnerung
an die Opfer des tödlichen Beziehungsdramas vom Freitag im Aschaffenburger Hefner-Alteneck-Viertel.
Foto: Harald Schreiber

»Ganz liebes Mädchen« und »toller Bursche« im Treppenhaus tödlich getroffen

»Es fällt schwer, sehr, sehr schwer,
nach den Ereignissen vom Freitag,
nach dem gewaltsamen Tode
unseres Kollegen
und einer 23-jährigen Frau,
zur Alltagsarbeit überzugehen!«

(Pressedienst der Polizeidirektion
Aschaffenburg am gestrigen Montag)

Aschaffenburg. Drei Tage nach dem blutigen Beziehungsdrama von Aschaffenburg ist rund um den Tatort in der Hefner-Alteneck-Siedlung nur scheinbar Ruhe eingekehrt. Die Polizei scheint ihre Vor-Ort-Recherchen weitgehend abgeschlossen zu haben, und die über das Wochenende im Mitscherlichweg noch ständig präsenten Fernsehteams tauchten am gestrigen Montag nur noch sporadisch auf. Im Korridor des Mietshauses, in dem Egon Heeg am Freitagvormittag seine Exfreundin Claudia Lubig und den Kriminalbeamten Berthold Schlotzhauer erschossen hatte, bevor er sich selbst mit der Pistole tötete, erinnerten ein ärmlicher Blumenstrauß und zwei Grablichter an die Opfer der Bluttat.

Aus der Obduktion der drei Toten haben die mit der Ermittlung betrauten Beamten der Kriminalpolizei Würzburg offensichtlich keine wesentlichen Erkenntnisse gewonnen. Jedenfalls äußerte sich der Aschaffenburger Oberstaatsanwalt Walther Schmidt zurückhaltend. »Mehrere« Schussverletzungen hätten die Gerichtsmediziner bei Claudia Lubig und Berthold Schlotzhauer diagnostiziert, sagte Schmidt und nannte keine konkrete Zahl.

Für den genauen Zeitpunkt des Selbstmords von Egon Heeg gebe die Obduktion keinen Anhaltspunkt. Beobachter schließen bislang nicht aus, dass der verlassene Liebhaber zum Zeitpunkt des Sturms auf die Wohnung, in der er sich verschanzt hatte, längst tot war. Dafür spricht, dass es der Polizei nicht gelang, Kontakt mit ihm aufzunehmen.

In der Erdgeschosswohnung des städtischen Hauses lebte bis zum Freitag Bianca Braun mit ihrem Baby. Die 18-Jährige wird nicht wieder einziehen, auch wenn die Spuren des tödlichen Dramas beseitigt sind: »Ich suche mir eine neue Bleibe«, versicherte die junge Frau gestern.

Bianca Braun wohnte Tür an Tür mit ihrer Mutter, die am Freitag zur Augenzeugin der tödlichen Schüsse wurde. Maria Braun erinnert sich, wie die »Lulu« genannte Claudia Lubig am Freitagvormittag außer der Reihe mit dem Taxi nach Hause kam - offenbar wegen eines Termins zur Schadensbegutachtung mit der Hausverwaltung, nachdem Egon Heeg bereits eine Woche zuvor in der Zweizimmerwohnung im zweiten Stock randaliert hatte.

Oben muss der Stockstädter, der die Trennung von der 23-Jährigen mit den langen blonden Haaren nicht verwinden konnte, seine frühere Lebensgefährtin abgepasst haben. »Zehn Minuten später hat´s nur noch geknallt«, sagt Maria Braun.

Heeg: »Ich will keine Bullen«

»Zufällig« sei Kriminaloberkommissar Berthold Schlotzhauer mit einem Kollegen im Viertel auf Streife gewesen, wo ihn Viele kannten, beteuern Aschaffenburger Polizeisprecher. Von einem Nachbarn auf die neuerliche Randale im Mitscherlichweg 4 aufmerksam gemacht, traten die Beamten ins Haus, um einzugreifen.

Auch Egon Heeg wusste den Zivilkleidung tragenden Beamten wohl zuzuordnen. »Ich will keine Bullen«, rief der wegen Gewaltdelikten vorbestrafte Gerüstbauer dem Polizisten vom Treppenabsatz entgegen. Für Maria Braun, die unten in ihrer Wohnungstür stand, ging dann alles ganz schnell: Der Mann schleuderte seine wehrlose Exfreundin die Stufen hinunter gegen den Beamten, die Körper fielen übereinander, und Heeg schoss. »Fünf oder sechs Mal« feuerte er seine Waffe ab. Leblos blieben Schlotzhauer und »Lulu« am Fuß der Treppe liegen.

Aus Bianca Brauns Parterre-Wohnung hatte deren Freund das Geschehen beobachtet. Nun drängte sich Heeg an dem 25-Jährigen vorbei durch die Tür und nötigte ihn (»Giuseppe, hol´ die Lulu!«), die tödlich getroffene Claudia Lubig über den Fliesenboden des Treppenhauses vor die Wohnung zu zerren. Heeg selbst zog sie ganz hinein. Die wenige Sekunden später eingetroffenen Polizisten mussten davon ausgehen, dass der Mann sich mit der Frau als Geisel hinter der Tür verschanzt hatte.

Als drei Stunden später ein Sondereinsatzkommando die Wohnung stürmte, fanden die Beamten zwei Leichen. Egon Heeg hatte sich erschossen. Dass Oberkommissar Schlotzhauer schon zwei Stunden zuvor unter den Händen des Notarztes gestorben war, hielt die Polizei bis zu diesem Zeitpunkt unter der Decke: Der Geiselnehmer sollte nicht erfahren, dass er jemanden getötet hatte.

»Die mache ich platt!«, soll der 41-Jährige eine Woche zuvor bereits gedroht haben. Die Polizei nahm den Gewalttäter fest - und musste ihn umgehend laufen lassen, als der Ermittlungsrichter den Haftbefehl außer Vollzug setzte. Von »Ärger und Wut« bei seinen Kollegen sprach gestern Peter Göller vom Personalrat der Aschaffenburger Polizei, wollte das Ohnmachtsgefühl jedoch keineswegs als Kritik an der Justiz verstanden wissen.

Als »ein ganz liebes Mädchen« beschreibt Maria Braun ihre getötete Mitbewohnerin, die seit zwei Jahren im Haus lebte. »Lulu« habe als Bäckereiverkäuferin gearbeitet, und »sie hat mir jeden Abend etwas gebracht«. Ein Kind hatte Claudia Lubig - anders als von einem Rundfunksender hartnäckig verbreitet - nicht.

Berthold Schlotzhauer wird von Kollegen als »toller Bursche, der voll in seinem Beruf aufging« beschrieben. Er ist seit der Verstaatlichung der Aschaffenburger Polizei 1970 der erste Beamte, der im Dienst ums Leben kam. Der 46-Jährige wird am Donnerstag um 14 Uhr in Glattbach (Kreis Aschaffenburg) beigesetzt.

Egon Heeg könnte bei der Tat betrunken gewesen sein: Im nahen Lebensmittelladen soll er sich am frühen Freitagmorgen mit Alkohol eingedeckt haben.

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»Alle erdenklichen Haftgründe äußerst gewissenhaft geprüft«

Aschaffenburg. »Im konkreten Fall sind alle erdenklichen Haftgründe äußerst gewissenhaft geprüft worden.« Mit diesen Worten nahm die Aschaffenburger Staatsanwaltschaft am Sonntag erneut zum Umgang der Justiz mit dem mehrfach vorbestraften Egon Heeg aus Stockstadt Stellung. Heeg hatte am Freitag in Aschaffenburg einen Kriminalbeamten, seine frühere Freundin und dann sich selbst erschossen.

Eine Woche vor der Bluttat war der 41-Jährige wegen Bedrohung der jungen Frau mit einem Baseballschläger inhaftiert worden; später wurde der Haftbefehl mit Auflagen außer Kraft gesetzt.

In einem Gespräch mit der Deutschen Presseagentur (dpa) hatte der Aschaffenburger Oberstaatsanwalt Dr. Walther Schmidt am Samstag darauf hingewiesen, dass bei Bedrohungen nur sehr schwer ein Haftbefehl durchzusetzen sei. In dem Artikel zitierte dpa Schmidt mit den Worten, im Fall von Egon Heeg sei die Frage der Wiederholungsgefahr »schon heikel« zu beantworten gewesen.

Am Sonntag trat der Oberstaatsanwalt dem möglichen Eindruck entgegen, die Justiz habe die Haftgründe, insbesondere die Wiederholungsgefahr bezüglich der von Heeg begangenen Bedrohung, nicht ausreichend geprüft. Das Gegenteil sei der Fall. Wörtlich heißt es in der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft: »Es wurde mit allen rechtlich zulässigen und möglichen Mitteln auf die Tat reagiert. Schärfere Maßnahmen wären unangemessen und damit rechtlich unzulässig gewesen.«

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»Die Aggression absolut ächten«

Aschaffenburger Bluttat und der Umgang mit Gewalt

Aschaffenburg. Die Einsatzwagen der Polizei sind verschwunden, die Absperrungen beseitigt, der Journalistentross ist abgezogen. Es herrscht wieder Alltag im Aschaffenburger Mitscherlichweg. Am Freitag starben hier, hinter den Erdgeschossfenstern von Haus Nummer 9, drei Menschen. Ein 41-Jähriger erschoss einen Polizeibeamten, seine frühere Freundin und dann sich selbst. Eifersucht wird als Ursache genannt, die 23-jährige Frau habe den Schützen verlassen. Nur drei Monate ist es her, dass eine ähnliche »Beziehungstat« die Stadt erschütterte. »Wo Aggressionsbereitschaft ist, kann gekränkte Eitelkeit der Auslöser für ein Tötungsdelikt sein«, sagt der in Aschaffenburg praktizierende Psychiater und Psychotherapeut Professor Götz Erik Trott.

Die beiden Bluttaten ähneln sich erschreckend: Eifersucht soll das Motiv gewesen sein, aus dem am 22. Oktober vergangenen Jahres ein 24-Jähriger seine 21 Jahre alte Frau in einer Aschaffenburger Zahnarztpraxis erschoss. Sie hatte sich wenige Wochen zuvor von ihm getrennt. Der Mann tötete auch den Zahnarzt, der seiner Mitarbeiterin zu Hilfe eilen wollte, und richtete anschließend die Waffe gegen sich selbst. Wiederholt hatte der 24-Jährige die junge Frau vor dem Verbrechen bedroht, einmal zog er ein Messer, die Polizei wurde alarmiert.

Auch Egon Heeg aus Stockstadt, der am Freitag im Hefner-Alteneck-Viertel in Aschaffenburg den Kriminaloberkommissar Berthold Schlotzhauer und seine ehemalige Freundin Claudia L. erschoss ehe er Selbstmord beging, soll die von ihm getrennt lebende 23-Jährige immer wieder bedrängt haben. Eine Woche vor der Tat hatte er Claudia L. mit einem Baseballschläger bedroht, war vorläufig festgenommen und später wieder auf freien Fuß gesetzt worden.

Töten aus Liebe? Professor Götz Erik Trott, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und psychotherapeutische Medizin, bis zu seinem Wechsel nach Aschaffenburg Lehrstuhlinhaber an der Universität Mainz, warnt davor, vorschnell von einem Beziehungsdelikt zu sprechen. Erst müsse der Abschluss der Ermittlungen abgewartet werden. Wenn aber tatsächlich Eifersucht oder die Trennungsabsicht des Partners den anderen gewalttätig werden lässt, liege eine ganz spezielle Konstellation - »eine Schlüssel-Schloss-Situation« - vor: Die Aggressionsbereitschaft eines Menschen sei das Schloss, in das gekränkte Eitelkeit, eine übergroße Ich-Bezogenheit also, als fataler Schlüssel passe.

Hier von einer Tat aus Liebe zu sprechen, bedeutet für Trott, Aggressivität zu trivialisieren. »Nicht jeder reagiert so, andere trauern, wenn sie verlassen werden, weinen sich aus.«

»Aggression absolut ächten«, ist die Forderung Trotts angesichts einer sich häufenden Zahl sogenannter Beziehungsdelikte. Der Psychiater und Psychotherapeut mit langjähriger Erfahrung als Gerichtsgutachter weiß, dass der Sieg über die Aggression den Menschen nicht in den Schoß gelegt wird. »Er ist eine Kulturleistung, die jeden Tag von neuem hart erarbeitet werden muss.« Wer aggressives Verhalten als Kavaliersdelikt abtue, bahne der Gewalt den Weg, warnt Trott. Denn auch bei Aggressionsdelikten spiele das Vorbild eine Rolle. »Studien haben eindeutig belegt: Wer wenig aggressiv ist, schaltet bei Gewaltszenen im Fernsehen ab, Gewaltbereite holen sich hier Appetit.« Verlogenheit wirft der Psychiater deshalb jenen Privatsendern vor, die einen Gutteil ihres Programms mit Schießorgien, Massenprügeleien und Horrorszenen füllen, gleichzeitig aber mit besonderem Nachdruck die Zunahme der Kriminalität beklagen.

Trotts Vorwurf, hier werde Entrüstung geheuchelt, um besonders grausame und vermeintlich quotenträchtige Szenen zeigen zu können, wurde am Freitag im Aschaffenburger Mitscherlichweg nachdrücklich belegt. Da rangelten Kameramänner um das schaurigste Motiv, setzten Journalisten über Absperrungen und Zäune, floss Geld für einen Fensterplatz - im Angesicht des Todes.

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Eine Mahnung zur Ächtung von Gewalt
und für besseren Schutz vor Tätern

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Trauerfeier für den erschossenen Polizeioberkommissar Berthold Schlotzhauer

Glattbach (Kreis Aschaffenburg). In eine eindringliche Mahnung zur Ächtung von Gewalt mündete am Donnerstagnachmittag die Trauerfeier im Glattbacher Roncalli-Pfarrzentrum für den am Freitag vergangener Woche in Aschaffenburg im Dienst erschossenen Oberkommissar Berthold Schlotzhauer.

Über 1500 Trauernde, vor allem Kollegen aus den Direktionen im bayerisch-hessischen Grenzgebiet und vom Bundesgrenzschutz, nahmen bei dem Requiem in Schlotzhauers Heimatort aber auch die Forderung von Rednern nach besserem Schutz vor potenziellen Gewalttätern auf - nur wenige Stunden, nachdem im benachbarten Main-Kinzig-Kreis ein Unbekannter einen 29 Jahre alten Polizeibeamten angeschossen hatte.

Den hohen Stellenwert Berthold Schlotzhauers als Mensch dokumentierten in ihren Nachrufen Kollegen der Aschaffenburger Polizeidirektion und der International Police Association sowie Dr. Berthold Lutz als Vertreter der Glattbacher Vereine und ein Sprecher des Freundeskreises Pater Eckart in Brasilien. In diesem Projekt für Straßenkinder in Rio de Janeiro des aus Langenprozelten bei Gemünden kommenden Paters hatte sich der 46 Jahre alt gewordene Familienvater nach einer Dienstreise nach Brasilien engagiert und war darin aufgegangen.

Vor allem der katholische Pfarrer Clemens Bieber aus Kleinostheim (Kreis Aschaffenburg) machte sich in seiner Predigt zum Fürsprecher für ein Zusammenleben »beherzter Menschen, die sich »leidenschaftlich einsetzen für andere und deren Nöte« und die Gewalt als Mittel zur Lösung von Konflikten ablehnen: Hier sei Berthold Schlotzhauer in seinem Beruf und in seiner Privatsphäre Vorbild gewesen. Bieber als Freund des getöteten Beamten hatte bereits am Mittwoch bei der eigentlichen Trauerfeier im engsten Familienkreis im Aschaffenburger Waldfriedhof sehr persönliche Eindrücke in seiner Predigt verarbeitet.

Am Donnerstag in Glattbach räumte der Seelsorger ein, aus christlicher Sicht nur den Ansatz einer Erklärung für die »Situation« am 28. Januar im Aschaffenburger Mitscherlichweg geben zu können: Berthold Schlotzhauers Schicksal habe sich in seiner Auffassung erfüllt, »so wie er eben seinen Dienst verstand: Dienst am Menschen, Dienst am Leben, Dienst am Zusammenleben der Menschen«.

Der bayerische Innenminister Günther Beckstein sicherte der Familie seine persönliche Unterstützung zu - so wie bereits unmittelbar nach der Tat vor einer Woche sich die Aschaffenburger Kollegen Schlotzhauers um die Ehefrau und die beiden Söhne gekümmert hatten. Gleichzeitig trat Beckstein angesichts von 56 im Dienst ums Leben gekommenen bayerischen Polizeibeamten seit 1945 für einen besseren Schutz der Gesellschaft vor Gewalttätern ein.

In die gleiche Richtung zielte der Nachruf des Aschaffenburger Polizeidirektors Gosbert Dölger. Dölger machte sich dafür stark, dass das Bekämpfen der Ursachen von Gewalt nicht grundsätzlich bei »Extremfällen in der Regel auf die Polizei abgeschoben« werden könne.

Das Gedenken wurde vor allem in der stillen Anteilnahme der Trauergäste im Pfarrzentrum und auf dem Platz davor deutlich. Unabhängig von der von Beckstein und Dölger geäußerten Abscheu vor der »brutalen, skrupellosen Tat eines Kriminellen« gedachten die Menschen des ganzen Ausmaßes der Katastrophe, die sich am 28. Januar ereignet hatte. In ihre Fürbitten schlossen die Trauernden die beiden anderen Menschen ein, die neben Berthold Schlotzhauer bei dem Amoklauf ihr Leben verloren: die 23 Jahre alte Claudia Lubig - und den 41 Jahre alten Egon Heeg, der sich nach seiner Tat selbst gerichtet hatte.

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Lieber Berthold,

sprachlos und fassungslos muß ich von Dir Abschied nehmen.
Du als einer von denen, die unter meiner Leitung gesungen haben, wirst mir in Erinnerung bleiben weil Du sagtest, was Du dachtes, auch wenn es unbequem war.
Du hast manchmal mit Deiner roten oder gelben Karte gedroht,
Schiedsrichter in Sachen Chorleitung zu spielen,
aber ich habe letzten Endes doch nur die grüne Karte von Dir gezeigt bekommen.

Es tut weh zu wissen, daß Du sie mir nie mehr zeigen wirst ...

Martin

gedanken

hallo Ihr lieben,

erstmal hoffe ich, dass Ihr trotz der ereignise wieder ein bisschen klare gedanken für eine neue, hoffentlich bessere woche habt.

Ich wäre wirklich gerne mit auf`s chorwochenende gefahren, aber ehrlich gesagt, bin ich froh drum, dass ich es nicht gemacht hab`, denn bei mir dreht sich gerade alles und ich bin kräftig am rudern und kämpfen.....
meine mutter und meine brüder sind gerade am umziehen und auch so läuft hier gerade alles rund.....alltags-stress, familie....
irgendwie hab` ich in letzter zeit wieder das gefühl, dass mir das alles einfach zu viel wird....ich hätte das auf dem chorwochenende nicht auch noch gepackt, war sowieso schon ziemlich down....ich hoffe, ihr versteht das. war in gedanken aber mehr als einmal bei Euch.
ich hätte nie gedacht, dass mich das so sehr mitnimmt und es ist ein seltsames gefühl, wenn man von den gedanken verfolgt wird.....irgendwie war ich schon immer sehr sensibel und sentimental, aber ich denke in diesem fall ist es nicht nur einfach sentimentalität....
ich kann und will hier auch nicht große worte sprechen, sondern hoffe, dass wir, wie martin es so schön auf seiner site sagte, füreinander da sind, ich denke, das ist wertvoller und wichtiger als tausend worte...einfach jemand, der DA ist.

Euch allen, alles Liebe für die nächste Zeit.....
 

Anne-Marie

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Thomann - Europas groesstes Musikhaus