Martin Hock - Chorleitung, alle Tonarten
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2000

Stand: 01. März 2001

Im Laufe der Zeit sammelt sich auf der Website eine Menge Texte an, die eigentlich zu schade sind, um in der Versenkung zu verschwinden.

Im Archiv können Sie alle Texte nachlesen, die ich auf der ersten Seite quasi als Editorial veröffentlicht habe. Klicken Sie einfach auf das Thema das Sie interessiert!

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Das Editorial zum Millennium - und zum Start der Website: 02.01.2000

Stellt Euch vor, es beginnt ein neues Jahrtausend und keiner bemerkt´s

So oder so ähnlich müssen sich wohl all die Propheten gefühlt haben, die für die Jahreswende den Big Bang vorausgesagt hatten. Was hätte nicht alles schiefgehen können: Der Toaster spricht nicht mehr zu uns, Staubsauger fressen plötzlich kleine Kinder oder Teletubbies, Waschmaschinen leben eben nicht mehr länger sondern gehen pünktlich um 0:00 Uhr im Jahr 00 in Rente. Ganz zu schweigen natürlich von den Atomkraftwerken und Atomraketen dieses netten kleinen Landes im Osten, die uns um viele Probleme gebracht hätten.

Denn sind wir doch mal ehrlich: Sowas von stiller Nacht, heiliger Nacht! Nicht die kleinste Katastrophe! Im Gegenteil: wenn man (natürlich auch frau, gilt für alle “man” im Text) nicht noch wach ist, wacht man eben am 01.01.00 auf und stellt fest: Business as usual. Nachdem schon zu Hause alles funktioniert, dann wird´s wohl auch  im Büro so sein oder wo man sich sonst  die ganze Zeit über rumdrückt. Nichts war´s mit katastrophenfrei. Nach dem Urlaub - so man hat - “the same procedure as every year”. Schade um die teure Notfallausrüstung und das Survivaltraining!

Und friedlich gefeiert haben wir auch alle. Dabei schrie der Jahrtausendwechsel doch geradezu nach bürgerkriegsähnlichen Krawallen, die total televisionstauglich tausende von Toten in die gute Stube gebracht hätten. Auch damit war´s nichts. Sogar die letzte Flugzeugentführung des Jahrtausends ging unblutig zu Ende. Dabei gibt es inzwischen doch ganze Sender und Verlage, die ihre Berechtigung nur aus diesen Themen herleiten. Was wird aus denen in einer friedlicheren Welt!? Werden deren Mitarbeiter am Ende etwa arbeitslos!?

Keine Angst, schon bald geht es wieder rund auf dem Globus. Da werden Erdbeben es wieder so richtig krachen lassen, und durchgeknallte Staatsmänner werden wüten, daß die Fetzen fliegen.

Aber nachdenklich bleibe ich trotzdem: Könnte es nicht sein, daß wir im neuen Jahr und darüber hinaus vielleicht doch ein bißchen mehr von dem weihnachtlichen “Frieden auf Erden” erleben dürfen? Nun, wenn wir “Menschen guten Willens” sind, dann ...

...laßt Euch nicht so schnell verwirren,
ein gutes neues Vielnullium!

Martin

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Editoral zum 15.01.2000

Chorleitung 2000: der Spagat zwischen Moik und Mendelssohn

Nicht, daß jetzt einer denkt, ich hätte etwas gegen Karl Moik. Aber er ist für mich ein wichtiges Synonym für das derzeitige Verständnis von Kunst im Allgemeinen und Musik im Besonderen. Zur Erklärung: Das hat alles mit dem Begriff “volkstümlich” zu tun. Oder noch etwas genauer: Der Mensch an sich hat ja gewisse Grundbedürfnisse: Nahrung aufnehmen und wieder loswerden, schlafen - alleine oder mindestens zu zweit, ein Dach über dem Kopf und ein Stück Stoff um den Körper. Ab und zu etwas, um sich in eine bess´re Welt zu versetzen, zum Beispiel die Musik. Aber es gibt graduelle Unterschiede dieser Grundbedürfnisse:
1. Instinkte: alles gerade Greifbare wird verwertet: der Hirsch im Wald, die Nachbarin im Garten, der BigMac...
2. Verfeinerte Genüsse: nicht der sofortige Vollzug des Genusses ist erstrebenswert, sondern eine gewisse -raffinierte-      Zubereitung erhöht den Spaß: die Preisselbeeren zum Hirschen, die “Pop”- Musik zur Nachbarin, der BigMac mit extra Majo.
3. Der ultimative Feinschmecker: - kann sich hoffentlich jeder selber was drunter vorstellen. Wenn nicht ... selbst schuld!

Was hat das jetzt mit Musik zu tun?

Auch hier gibt´s sowas wie einen Instinkt. Das ist jenes undefinierbare Etwas, was jeden gleichermaßen bewegt, wenn er oder sie ein Lied oder Instrumentalstück hört und sagt: a a a a a h!, das war aber schön, ohne genau erklären zu können, warum das eben schön war. Jetzt gibt es aber Leute, die genau wissen, warum das so a a a a a h! war - und nicht uäh! Genau diese Leute haben den Begriff des “Volkstümlichen” erfunden. Eben jenes Produkt, das sich so hervorragend verkauft, weil es die Ebene des Hörers anspricht, die einfach nur unterscheidet zwischen a a a a a h und uäh!. Der Hörer muß also, ob er will oder nicht, a a a a a h! empfinden. Alles klar?
Ach ja, fast hätte ich´s vergessen: Der gute Karl Moik macht dabei nichts anderes als ein Staubsaugervertreter, der sein Gerät als das Beste überhaupt anpreist. Er muß dafür nicht mal Klinken putzen. Er kommt direkt via TV ins Haus. Außerdem hat er kein Problem mit seinem Produkt. Sie wissen schon, es ist einfach
a a a a a h!.

An sich wäre das nicht sehr schlimm. Aber vielleicht hat jeder schon mal den schalen Nachgeschmack einer unbefriedigenden Sättigung der Grundbedürfnisse erfahren. Goethe trifft in seinem “Faust” den Nagel auf den Kopf: “Jede Lust will Ewigkeit”. Deshalb streben die meisten nach gewissen Verfeinerungen ihrer Bedürfnisbefriedigung.
Aber: der Markt des “Volkstümlichen” haut uns seine Produkte dermaßen geballt um die Ohren, daß der Eindruck entstehen muß, es gäbe nichts darüber hinaus.
(Achtung: ab jetzt wird alles sehr subjektiv.) Was für ein(Selbst)Betrug! Was ist schon eine “Patrona Bavariae” gegen eine einfache Bachkantate! Das ist nicht einfach ein
a a a a a h! Denn so ein a a a a a h! ist so schnell vorbei. Gerade gehört und schon wieder vergessen. Eine Sättigung höchst unbefriedigenden Ausmaßes. Da ist nichts zu spüren von Goethes “Ewigkeit”. Deshalb brauchen wir auch ständig mehr und neues a a a a a h! - ein Teufelskreis!
Aber es gibt tatsächlich Musik, die sehr lange nachklingt, die bewegt, erregt, durchaus erschüttert und mich nicht mehr losläßt. Wer es sich zutraut, viel Geduld hat und aufgeschlossen ist, sollte sich mal mit Gustav Mahlers Zweiter Symphonie beschäftigen. Das ist das extremste Gegenteil der “Volkstümlichkeit”. Jedoch gerade um diese Erfahrungen bringen uns die Macher des schnellen
a a a a a h! durch ihren Ausschließlichkeitsanspruch.

Ja gut, aber was machst Du als Chorleiter dagegen?

Meine Leute, mit denen ich die ganze Woche zu tun habe, kenne sich manchmal recht gut  in der Welt des “Volkstümlichen”aus. Oft so gut, daß sie das a a a a a h! mit echtem, tiefgehendem Empfinden verwechseln. Als Chorleiter kann ich ihnen aber die Türe öffnen, einen Einblick zu tun in die Welt der “Ewigkeit”, des “Schönen, Guten und Wahren”, die Welt, die seit dem 19. Jahrhundert als die klassische bezeichnet wird und damit alle Kunst bezeichnet, die nicht mehr zu verbessern ist. Aber vorsichtig muß ich sein und echt, darf niemanden überfordern und schon gar nicht überreden mit schönen Worten und Effekthascherei. Sonst bin ich auch nicht besser als die Macher des a a a a a h!
Es ist eine schwierige aber dankbare Aufgabe, die sich nicht in Wochen und Monaten mißt. Aber nach zehn Jahren Erfahrung auf diesem Gebiet weiß ich: es ist zu schaffen - und es lohnt sich!
 

15. Januar 2000, Martin

hoch!

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